2022/10/04 Andreas Jungherr

Keynote: Digitaler Wandel im Kaleidoskop der Sozialwissenschaft

Der Text ist die leicht erweiterte Fassung meiner Keynote zur Gemeinsamen Jahrestagung der DGPuK-Fachgruppe Journalistik/Journalismusforschung, der DGPuK-Fachgruppe Kommunikation und Politik, dem Arbeitskreis Politik und Kommunikation (DVPW) und der Fachgruppe Politische Kommunikation (SGKM) an der Universität Trier vom 29. September 2022.

Wie kann die Sozialwissenschaft digitalen Wandel und den Wandel durch das Digitale abbilden und erklären?

Es freut mich sehr, heute vor dieser interdisziplinären Runde sprechen zu dürfen. Heute und in den kommenden Tagen kommen in Trier Journalismusforscherinnen und -forscher, Kommunikations- und Politikwissenschafterinnen und -wissenschaftler für die Fachtagung Politischer Journalismus: Konstellationen – Muster – Dynamiken zusammen. Dabei nähren wir uns unseren Forschungsgegenständen mit unterschiedlichen Interessen, Sensibilitäten und vor dem Hintergrund unterschiedlicher Forschungstraditionen.

Aber es eint uns eine geteilte Aufgabe:

Wie können wir den digitalen Wandel und den Wandel durch das Digitale in Journalismus und politischer Kommunikation abbilden und wie können wir die zugrundeliegenden Dynamiken und Effekte erklärbar machen?

Diese Aufgabe stellt uns vor unterschiedliche Fragen und Herausforderungen:

Woher wissen wir eigentlich, wie digitale Medien im Journalismus und der Politik tatsächlich genutzt werden? Klar, wir wissen, dass digitale Medien genutzt werden. Aber über diesen recht trivialen Befund hinaus wissen wir erstaunlich wenig darüber wie sie tatsächlich genutzt werden und welchen Einfluss sie auf Organisationsstrukturen oder Erfolge und Misserfolge von Akteuren tatsächlich haben. Detaillierte Arbeiten zu tatsächlicher Nutzung und entsprechenden strukturellen Anpassungsprozessen liegen uns überwiegend aus den USA vor (Christin, 2020; Karpf, 2012b; Kreiss, 2012). Daraus jedoch 1:1 Nutzungsmuster und Effekte für Deutschland abzuleiten, verbietet sich von selbst.

Auf der Seite von Nutzerinnen und Nutzern stellen sich auch neue Fragen. Wie können wir heute eigentlich noch die Mediennutzung von Menschen messen? Konnten Kolleginnen und Kollegen in den 90ern und 2000ern noch halbwegs legitim nach Medienkonsum in Fernsehen, Zeitung oder Radio fragen, splittert das heutige real-existierende digitale Mediensystem mögliche Nutzungsformen so weit auf, dass sich die Abfrage in Umfragen fast verbietet. Die Optimistischen unter Ihnen mögen hier auf die Möglichkeit der Beobachtung von Nutzerinnen und Nutzern durch Webtracking hinweisen. Dies erfordert jedoch nicht unerhebliche Glaubensbekenntnisse in Fragen der Repräsentativität der Getrackten oder des getrackten Verhaltens (Jürgens et al., 2020).

Neben Veränderungen in der Arbeit von Organisationen und dem Verhalten von Menschen, stellt sich auch die Frage nach der Veränderung des Systems als Ganzes. Wie verschieben sich Informationsflüsse, die Struktur von Öffentlichkeit und welche Auswirkungen haben diese Prozesse auf gesellschaftliches Leben und die Demokratie? Diese Fragen sind einfach gestellt und in Meinungsbeiträgen im Feuilleton oder auf Twitter leicht beantwortet. Ihre systematische, wissenschaftliche und hinterfragbare Beantwortung ist jedoch deutlich schwerer – nicht zuletzt, da (wie eben gezeigt) ja schon auf der Ebene einzelner Organisationen und Menschen Wandel aktuell schwierig abzubilden ist.

Eine der wahrscheinlich schwersten Aufgaben, ist darüber hinaus die Frage nach dem counterfactual. Was wäre eigentlich, wenn es digitale Medien nicht gebe? Zum Beispiel schreibt verschiedentlich die öffentliche Wahrnehmung – aber auch Kolleginnen und Kollegen – digitalen Medien eine entscheidende Rolle in den Erfolgen von Rechtspopulisten zu. Aber ist der Brexit, der Erfolg Donald Trumps, oder der der AfD wirklich ohne digitale Medien nicht denkbar? Wie isolieren wir den Einfluss digitaler Medien vor dem Hintergrund anderer gesellschaftlicher Entwicklungen – wie der Finanzkrise, steigender Migrationsbewegungen in Folge von ökologischer, politischer oder wirtschaftlicher Destabilisierung von Weltregionen und der steigenden Fragilität von Lebensentwürfen hinsichtlich nationaler und internationaler Krisen? Sind die entsprechenden demokratischen und anti-demokratischen Gegenbewegungen zum politischen status quo wirklich ursächlich oder primär als kommunikative Phänomene zu erklären? Oder konstruktiver gefragt: Wo liegt der Beitrag von Kommunikationsmustern und Kommunikationsinfrastrukturen in den von uns aktuell erlebten Herausforderungen des status quo?

Darüber wie wir uns gemeinsam dieser Aufgabe stellen können und bessere und systematischere Antworten auf Fragen, wie die eben skizzierten, geben können möchte ich in der Zeit mit Ihnen gemeinsam nachdenken.

Wissenschaft im Wettbewerb der Erklärungen

Die Untersuchung und Erklärung des digitalen Wandel und des Wandels durch das Digitale sind einerseits aus wissenschaftlicher Sicht wichtige und spannende Aufgaben. Schließlich gilt es hier für die Sozialwissenschaft, Prozesse abzubilden und zu erklären, die noch lange nicht abgeschlossen sind, sondern sich erst noch voll entfalten. Dies bedeutet sowohl begrifflich, konzeptionell, theoretisch als auch methodisch mutig Neuland zu beschreiten und sich nicht zu scheuen, Altgewohntes zurück zu lassen, um den neuen Aufgaben und dem sich neu entfaltenden Gegenstand gerecht zu werden. Dabei ist die Geschwindigkeit des Wandels nicht nur Gegenstand von sondern auch praktische Herausforderung für Forschung. Vor zehn Jahren sprach der amerikanische Politikwissenschaftler Dave Karpf von diesen Herausforderungen in seinem Artikel “Social Science Research Methods in Internet Time” (Karpf, 2012a). Zugegeben, heute spricht Karpf zwar davon, dass sich die Internet Zeit seitdem verlangsamt habe (Karpf, 2019), aber als jemand, der mit und zu digitalen Medien in der politischen Kommunikation seit 13 Jahren forscht, sei mir erlaubt zu sagen, dass sich – zumindest für mich – die Dynamik und der Wandel in unserem Feld noch immer recht schnell anfühlt.

Aber unsere Aufgabe bleibt nicht nur rein wissenschaftlich. Wir sind nicht allein, im Versuch, den Einfluss digitaler Medien in Politik, Öffentlichkeit und Journalismus zu beschreiben, zu verstehen oder zu erklären. Tatsächlich könnte man meinen, dass die wissenschaftlichen Stimmen anderen Stimmen im Diskurs hinterherlaufen. Man denke nur an die breite öffentliche Popularität der Echo-Kammern oder Filterblasen-These, die wortgewaltig von einem Rechtswissenschaftler – Cass Sunstein (Sunstein, 2001) – bzw. einem politischen Aktivisten und Campaigner – Eli Pariser (Pariser, 2011) – aufgestellt wurden.

Wie inzwischen zahlreiche empirische Studien zeigen, ist die Popularität dieser Thesen wahrscheinlich nicht ihrer empirischen Tragkraft geschuldet (Rau & Stier, 2019). Stattdessen wird zu ihrem Erfolg nicht unwesentlich beigetragen haben, dass die überwiegend negativen politischen Effekte, die hier digitalen Medien zugeschrieben wurden, gut zu den Interessen von Medienhäusern und staatlichen Regulatoren passen. Diese nutzen vermeintliche Wahrheiten über den demokratischen Schaden, den digitale Medien anrichten, gerne, um ihre Kontrolle über digitale Kommunikationsumgebungen zu erhöhen und die Marktmacht US-amerikanischer Konzerne einzugrenzen. Zu ähnlich gerne genutzten, aber wissenschaftlich nicht haltbaren Thesen gehören die weitverbreitete Manipulation von Wählerinnen und Wählern in digitalen Kommunikationsumgebungen durch Beratungsfirmen wie Cambridge Analytica (Jungherr et al., 2020, S. 124–130) oder die gesellschaftliche Zersetzung durch digitale Desinformation (Jungherr & Schroeder, 2021b; Mercier, 2020).

Doch auch Plattform-Firmen selber sind genauso darum bemüht, den Diskurs zu prägen. Sei dies durch die Beschäftigung digitaler Vordenker im eignen Haus oder die großzügige Kooperation mit einigen ausgewählten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Wie immer, wenn es um Geld oder politischen Einfluss geht, liegt die Vermutung nah, dass diskursives Ringen um Deutungshoheit nicht primär durch tatsächliches Erkenntnisinteresse bestimmt ist. Hier gilt es ganz grundsätzlich für die Wissenschaft, sich den freundlichen Sponsoren in Medienhäusern, Digitalwirtschaft und Staatskanzleien zu entziehen und die von ihnen präsentierten Narrativen kritisch zu hinterfragen.

Die Sozialwissenschaft steht in einem direkten Wettbewerb um das was der Wissenschaftssoziologe Thomas Gieryn als “epistemische Autorität” bezeichnet; also, “the legitimate power to define, describe, and explain bounded domains of reality” (Gieryn, 1999, S. 1). In diesem Wettbewerb gilt es für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler klar ihre Unabhängigkeit gegenüber den saisonalen Schwankungen, Enthusiasmen, Ängsten und Interessen im öffentlichen Raum zu bewahren. Stattdessen braucht es klar kommunizierte und öffentlich kritisch überprüfte und hinterfragte wissenschaftliche Standards in der Entwicklung von Begriffen, Theorien und Konzepten und der nachvollziehbaren und hinterfragbaren Entwicklung empirischer Evidenz.

Diese prozessgeschaffene Autorität gilt es um so stärker zu entwickeln, einzufordern und ihren Bruch zu sanktionieren, da Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rein diskursiv häufig anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterlegen sind. Wie es kürzlich der meinungsstarke Publizist und Medienkritiker in eigener Sache Richard David Precht leicht paraphrasiert sagte: Wissenschaftler seien eben nur Autoren von Briefen unter Freunden. Für öffentliche Aufmerksamkeit brauche es medienstarke Menschen wie ihn (Lanz & Precht, 2022, Minuten 42:05 – 43:02). Geht es allein um diskursive Macht und nicht um prozessgestützte und hinterfragbare Autorität, dann ist es in diesem Wettbewerb schlecht für die Wissenschaft bestellt. Gelingt es uns nicht, den Wert von auf prozessbasierter Autorität entwickelten Befunde und Einsichten zu etablieren und öffentlich zu verteidigen, sind wir darauf reduziert, Bausteine, für Medien-Personalities – wie Richard David Precht – zu liefern in der Hoffnung, dass diese Bausteine in deren situative Agenden und Markenentwicklungssterben passen.

Das öffentliche Interesse an Fragen des digitalen Wandels begegnet auf Seiten der Kommunikationswissenschaft dem Wunsch nach stärkerer Präsenz im vorwissenschaftlichen Raum. Man denke nur an den jüngsten kommunikationswissenschaftlichen cri du coeur – eindrucksvoll durch Rasmus Kleis Nielsen in den Seiten von Political Communication formuliert (Nielsen, 2018) – wie es denn sein könne, dass politische Entscheidungsträger, Journalismus oder die Öffentlichkeit ganz allgemein gefühlt allen anderen Wissenschaften in Fragen des digitalen Wandels von politischer Kommunikation und Nachrichtenmedien folgen würden außer der Kommunikationswissenschaft.

Lassen wir für einen Moment die spalterische Frage beiseite ab welchem Grad von Präsenz im öffentlichen Diskurs oder regulativen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen, die von Nielsen formulierte Unzufriedenheit in Teilen des Feldes behoben ist. Wenden wir uns lieber einer grundlegenderen und zugleich unangenehmeren Frage zu:

Auf die Frage “Warum werden wir nicht häufiger gefragt?” folgt recht natürlich die Frage “Warum sollten wir denn gefragt werden?” oder anders gesagt “Taugen unsere intern wissenschaftlich rezipierten und diskutierten Befunde eigentlich als Grundlage gesellschaftlichen oder regulativen Handelns?” Sind wir als Feld also ready for prime time?

Jüngst gab es in der Psychologie eine vergleichbare Situation: In einem Akt quasi-homerischer Heroik meldeten sich in den Seiten von Nature Human Behavior einige Kolleginnen und Kollegen um Jay Van Bavel mit ihrer Expertise freiwillig im Kampf gegen Covid-19 und der Gestaltung pandemischer Gegenmassnahmen (Van Bavel et al., 2020). In gesellschaftlichen Großkrisen ist natürlich jede helfende Hand gerne gesehen, allerdings stellt sich gerade bei wissenschaftlichen Beiträgen auch die Frage, wie belastbar die Befunde und Theorien sind auf deren Basis großzügig Ratschläge erteilt werden. Und gerade die in diesem Fall stark bemühte Behavioural Psychology hat in den Fragen Belastbarkeit oder gar Reproduzierbarkeit von Befunden ein eher schillerndes Profil. Entsprechend gab es in den Seiten desselben Journals auch schnell konstruktive Gegenrede. Hier äußerten Kolleginnen und Kollegen um Hans IJzerman Zweifel daran, dass bei allem wissenschaftsinternen Fortschritt der Psychologie und der Sozialwissenschaft wenig Prozesse und Standards im Feld vorliegen, die erlaubten zwischen Befunden zu unterscheiden, die im wissenschaftlichen Prozess und Diskurs interessant und wertvoll sind und solchen, die tatsächlich robust genug sind, um auf ihrer Basis bevölkerungsweite Maßnahmen und Interventionen auszurollen (IJzerman et al., 2020).

Als ein Beispiel hierfür lässt sich vielleicht der vermutete Einfluss von Motivated Reasoning auf die Überzeugungskraft kommunikativer Interventionen nennen. Viele Studien in Labor- und Umfrageexperimenten deuten auf den abschwächenden Einfluss von Voreinstellungen zu Sendern oder Themen auf die Überzeugungswirkung von kommunikativen Inhalten (Kahan, 2016a, 2016b). Diese Befunde werden häufig als Argument für die vermeintlich schwache Wirkung politischer Information, die Irrationalität von Empfängern politischer Informationen und die generelle Unbeweglichkeit von politisch überzeugten Menschen verwendet: Kurz, politische Information hat keine Wirkung und Menschen glauben ohnehin nur das, was sie bereits glauben (Achen & Bartels, 2016). Gleichzeitig sind viele der entsprechenden Befunde entweder auf Basis viel zu kleiner Fallzahlen oder im heißesten denkbaren politischen Konfliktumfeld der USA erhoben. Entsprechend haben Studien mit größerer Fallzahl und in anderen Kontexten verschiedentlich gezeigt, dass Voreinstellungen keine oder vernachlässigbare Effekte auf die Wirkung politischer Kommunikations-Interventionen haben (Coppock et al., 2020; Jungherr et al., 2021). Vielleicht ist Motivated Reasoning also nicht die beste Basis, um Rückschlüsse auf die Wirkung – oder Nicht-Wirkung – politischer Kommunikation generell zu ziehen oder die Empfänger politischer Information grundsätzlich als für nicht-überzeugbar zu erklären.

Wie kann Sozialwissenschaft aber nun angesichts dieser Herausforderungen digitalen Wandel und den Wandel durch das Digitale besser abbilden und für Gesellschaft erklärbar machen?

Hierfür müssen wir uns zuerst das Prisma sozialwissenschaftlicher Forschung ansehen.

Das Prisma sozialwissenschaftlicher Forschung

In der Sozialwissenschaft sind wir gewohnt, gesellschaftliche Phänomene aus spezifischen Blickwinkeln zu untersuchen. Dies öffnet vielversprechende, aber häufig isolierte, Perspektiven auf unsere Forschungsgegenstände. Wie ein Prisma Licht in das dem zugrundeliegende Farbschema bricht, so tut dies auch die Sozialwissenschaft mit ihren Gegenständen.

Auf die Gefahr hin, unzulässig zu vereinfachen, können wir zwischen drei unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Perspektiven auf Gesellschaft unterscheiden:

  • Strukturen,
  • Sprache und
  • Akteure.

Diese drei Ansätze bilden wichtige Facetten von gesellschaftlichen Leben ab und haben uns erfolgreich unterschiedliche Aspekte digitalen Wandels und Wandel durch das Digitale aufgezeigt.

Der Blick auf Strukturen, die Rahmen für menschliches Verhalten setzen und es dadurch formen, öffnet hier unterschiedliche Perspektiven. Seit Beginn der Forschung zu gesellschaftlichen Effekten des Internets steht die Frage nach der Wirkung von Netzwerk-Strukturen im Vordergrund (Benkler, 2006; Castells, 2013; Easley & Kleinberg, 2010; Rainie & Wellman, 2012). Was geschieht mit Gesellschaften, die nicht mehr in vertikalen Hierarchien organisiert sind sondern in Netzwerken? Hier herrschte die Erwartung vor, dass Netzwerkstrukturen generell zu Demokratisierung und dem Abbau von Ungleichheit in Gesellschaften beitragen würden. Eine optimistische Erwartung an Effekte der Digitalisierung, die heute wohl so nur noch selten geteilt wird.

Strukturen, die heute stärker im Blick der Forschung stehen sind Plattform-Firmen und Algorithmen als formende Strukturen für Informationsflüsse und Informationsräume. Plattform-Geschäftsmodelle bieten Räume in denen unterschiedliche Anbieter auf Nachfrager treffen können – sei dies z.B. ein Kleinanzeigenmarkt wie Ebay, Mitfahrmöglichkeiten wie bei Uber oder Werbekunden auf der Suche nach interessanten Kontakten wie bei Facebook oder Google. In der Wirtschaftswissenschaft werden Plattform-Geschäftsmodelle noch immer sehr positiv diskutiert (Evans & Schmalensee, 2016; Parker et al., 2016; Shapiro & Varian, 1999). In der Sozialwissenschaft wird auf diese Strukturen jedoch kritischer geblickt, nicht zuletzt da, sobald sich Plattformen als erfolgreiche Vermittler in Märkten etabliert haben, sie zu quasi-Monopolen werden können und dadurch starken Einfluss über Anbieter und Nachfrager ausüben (Chia et al., 2020; Gorwa, 2019; Jürgens & Stark, 2017; Nielsen & Ganter, 2018; van Dijck et al., 2018). Der Blick auf Strukturen öffnet hier eine wichtiger Perspektive auf gesellschaftliche Machtverschiebungen im Kontext der Digitalisierung.

Im Kontrast zu ökonomischen Strukturen, wie Plattformen, zeigt der Blick auf Algorithmen (Diakopoulos, 2019), den Einfluss technischer Strukturen. Hier stellen sich Fragen nach dem Effekt von algorithmisch strukturierten Kommunikationsräumen. Dabei dominiert die Vorstellung der Filterblase, die Vermutung, dass Algorithmen Menschen primär in politisch homogene Informationsumgebungen und Räume sortieren würden und damit die politisch anderen verstecken würden (Pariser, 2011). Dabei erscheint es aus heutiger Perspektive interessanter, die Frage zu stellen, ob Algorithmen uns die politisch anderen nicht sogar verstärkt anzeigen, anstelle sie zu verstecken (Settle, 2018). Der Blick auf die prägende Kraft von technischen Strukturen sollte allerdings auch erweitert werden. Eine natürliche Erweiterung – wie kürzlich in der Publizistik von Mike Schäfer und Hartmut Wessler gefordert (Schäfer & Wessler, 2020) – ist die Untersuchung des formenden Einfluss von künstlicher Intelligenz (KI) (Jungherr & Schroeder, 2022). Eine weitere zur Zeit noch nur selten diskutierte technische Struktur mit wachsender Bedeutung sind Game Engines (Jungherr & Schlarb, 2022), nicht zuletzt, da sie entscheidende Bausteine in der Entwicklung digitaler Dienste, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle auf Basis von vernetzter augmented reality sind, ein sich aktuell vollziehender Entwicklungsschritt der Digitalisierung, die einige Kommentatoren als Metaverse bezeichnen (Ball, 2022).

Die Analyse von Strukturen und ihrer formenden Wirkung auf menschliches Verhalten hat eine lange Tradition in der Sozialwissenschaft und öffnet den Blick für ihre oft versteckte prägende Kraft. Gleichzeitig läuft die Analyse der Strukturen digitaler Kommunikation ähnliche Gefahren, wie andere primär strukturelle Theorien und Analyseansätze: Die Faszination mit strukturellen Faktoren kann die Handlungsfähigkeit und strategische Anpassungsfähigkeit von Akteuren unterschätzen. Nicht umsonst lesen sich viele der aktuellen Kritiken von Plattform- oder KI-Strukturen wie nur geringfügig aktualisierte Texte der Kritik kapitalistischer Strukturen aus einer früheren Phase der Sozialwissenschaft.

Ein anderer Forschungsstrang beschäftigt sich mit der Untersuchung von Sprache und dem Ausdruck gesellschaftlicher Macht und Dynamiken in ihr. Beispiele sind die Untersuchung von Sprache und Symbolen in digitaler Kommunikation – wie in der Untersuchung von digitaler Kultur und Nutzungspraktiken (Phillips & Milner, 2017; Shifman, 2016) –, die Untersuchung strategischer Nutzung von Sprache – wie in der Untersuchung von Agenda Setting und Framing Dynamiken (Jungherr et al., 2019; Posegga & Jungherr, 2019) –, der Untersuchung von Informationsflüssen zwischen unterschiedlichen Akteuren und Medien (Jungherr, 2014) oder der Untersuchung von öffentlich sichtbaren sprachlichen oder symbolischen Interaktionen zwischen Akteursgruppen in digitalen Kommunikationsumgebungen (Jürgens et al., 2011; Nuernbergk & Conrad, 2016; Toepfl & Piwoni, 2015; Ziegele et al., 2014). Dank steigender computergestützter Speicher- und Rechenkapazität ist hier seit kurzem ist hier auch die systematische Untersuchung von Bildern oder Videomaterial ein wachsender Forschungsbereich (Jürgens et al., 2022). Die Untersuchung von Sprache, Symbolen und Diskursen in digitalen Kommunikationsumgebungen ist vielfältig und vielversprechend. Gleichzeitig besteht hier auch immer die Gefahr, sich von der Faszination von Sprache oder Bildern ablenken zu lassen, und die Kontingenz ihrer Nutzung oder Wirkung zu vernachlässigen.

Die dritte Forschungstradition, auf die ich hier kurz eingehen möchte, ist die Untersuchung von Akteuren. Legionen von Forscherinnen und Forschern untersuchen Mediennutzung und ihre Effekte auf Einstellungen und Verhalten auf der Individualebene (Bryant & Oliver, 2009). Welche Quellen und Inhalte werden konsumiert und welche Effekte haben sie? Wie oben beschrieben, steht gerade die Mediennutzungsforschung vor nicht unerheblichen Herausforderungen durch die neue Vielfalt an digitalen Kanälen und Quellen. Gleichzeitig verspricht die statistische Analyse von Befragungs- oder Beobachtungsdaten die präzise Identifikation von Kommunikationseffekten in bestimmten Kontexten. Dieses Versprechen setzt aber natürlich auch die verantwortliche und sorgfältige Nutzung statistischer Methoden voraus, dies ist – insbesondere in Bezug auf die notwendige Stichprobengrößen für die Identifikation oft kleiner Effekte oder besonders für die Identifikation von Interaktionseffekten – leider nicht immer der Fall.

Arbeiten in diesen drei Forschungstraditionen haben unser Verständnis des digitalen Wandels und des Wandels durch das Digitale in den letzten Jahren deutlich voran gebracht. Gleichzeitig besteht hier auch eine Gefahr. Häufig bleiben Studiendesigns in einer der Traditionen verhaftet, ohne die Perspektiven oder Erkenntnisse anderer Forschungsansätze genügend in der Interpretation ihrer Ergebnisse zu reflektieren.

So entsteht ein Prisma sozialwissenschaftlicher Forschung. Durch dieses Prisma unterschiedlicher Perspektiven spalten wir das Phänomen Digitalisierung in unterschiedliche schillernde Dimensionen, laufen aber Gefahr, das Gesamtbild aus dem Blick zu verlieren. Dies ist nicht unbedingt ein Problem aus der Perspektive einzelner Studien. Natürlich kann ich die Effekte spezifischer kommunikativer Interventionen im Labor oder in einem Umfrageexperiment auf Studienteilnehmerinnen und Teilnehmer testen, ohne Strukturen der digitalen Mediennutzung zu berücksichtigen. Dies wird allerdings zu einem Problem, sobald auf Basis dieser Befunde Großthesen über die Wirkung digitaler Medien auf die Gesellschaft aufgestellt werden. Hier sind isolierte Befunde – egal wie wissenschaftlich rigide, transparent und reproduzierbar – immer nur im Kontext anderer Perspektiven und Einflussfaktoren zu interpretieren.

Isolierte empirische Fakten sind wichtig; aber empirische Fakten allein bergen die Gefahr, Fehlschlüsse zu ziehen sobald auf ihrer Basis unreflektiert Rückschlüsse auf das große Ganze gezogen werden. Um die tatsächliche Bedeutung und Verallgemeinerbarkeit empirische Fakten einzuschätzen, müssen sie zusammen mit anderen Elementen und Analyseebenen gedacht werden. In anderen Worten: Wir als Feld müssen Veränderungen in Strukturen, Sprache und Akteuren gemeinsam und verzahnt konzeptualisieren, um ein Verständnis der tatsächlichen gesellschaftliche Änderungen und Effekten zu bekommen.

Die Gefahren wenn dies nicht passiert, sehen wir aktuell in der Forschung und öffentlichen Kommunikation und Wahrnehmung zu den vermeintlichen Wirkungen und Gefahren von digitaler Desinformation.

Digitale Desinformation durch das Prisma der Sozialwissenschaft

Seit einigen Jahren erlebt die Forschung zur Desinformation in digitalen Kommunikationsumgebungen eine beeindruckende Konjunktur. In einer jüngst veröffentlichten kritischen Auseinandersetzung mit dem Feld diagnostizieren Chico Camargo und Felix Simon sogar, das Feld sei inzwischen “too big to fail” (Camargo & Simon, 2022), nicht zuletzt durch das starke öffentliche und journalistische Interesse an dem Themenbereich, der beachtlichen Förderaktivität durch Drittmittelgeber und das starke Interesse von Regierungen und Regulatoren. Dennoch zeigt genau dieses Forschungsgebiet eindrucksvoll einige der Gefahren, die entstehen, wenn wir digitale Phänomene durch das Prisma sozialwissenschaftlicher Forschungsansätze betrachten, anstelle die unterschiedlichen Perspektiven, wie in einem Kaleidoskop, gemeinsam zu nutzen.

Schauen wir zuerst aus der Perspektive von Sprache auf das Phänomen digitaler Desinformation. Hier gibt es tatsächlich Anlass zur Sorge. Digitale Kommunikationsräume sind voll mit bewusst oder fahrlässig falscher oder fehlleitender Information. Wir finden sie in Form von Falschinformationen auf gezielt für die Verbreitung von Falschinformationen eingerichteter Webseiten, in Form von Nachrichten auf sozialen Netzwerkseiten, in Form humoristischer Meme oder Kurzvideos oder auch in Form von Sprachnachrichten auf Messenger Apps (Donovan et al., 2022). Schaut man allein aus inhaltsanalytischer Sicht auf Beiträge in digitalen Informationsräumen kann einem tatsächlich Angst und Bange werden.

Aber wie ist es um das Phänomen bestellt, wenn wir andere Perspektiven zur Hilfe nehmen?

Die Analyse von Strukturen hinterlässt hier ein gemischtes Bild. Einerseits sehen wir, dass digitale Plattformen – wie Facebook, Twitter und YouTube – und Messenger-Dienste – wie WhatsApp und Telegram – erfolgreich genutzt werden, um Desinformation zu teilen (Bennett & Livingston, 2018). Anderseits zeigen unterschiedliche Interventionen von Plattformbetreibern – wie zum Beispiel Moderation, Friction, Metered Moderation oder Deplatforming – klar Wirkung in der Einschränkung und Verlangsamung der Verbreitung von Desinformation (Rauchfleisch & Kaiser, 2021). Ja, digital Plattformen können zur schnellen Verbreitung von Desinformation beitragen. Gleichzeitig können sie diese auch effektiv einschränken, wenn sie sich intern dazu entschließen oder der externe Druck dazu Anlass gibt. Ob man diese Interventionen aus demokratietheoretischer Sicht tatsächlich für angemessen oder normativ wünschenswert hält ist wiederum eine andere Frage, gehen sie doch zumindest potentiell mit einer Einschränkung von politischer Rede als Kollateralschaden einher (Keller, 2018).

Auch sind digitale Plattformen zwar wichtige aber bei weitem nicht exklusive kommunikative Infrastrukturen der heutigen Public Arena (Jungherr & Schroeder, 2021a). Stattdessen spielen Massenmedien auf unterschiedlichen traditionellen und neuen kommunikativen Kanälen weiterhin eine sehr wichtige Rolle als Informationsanbieter auch in digitalen Kommunikationsräumen (Allen et al., 2020). Etwaige Desinformation bleibt also nicht unwidersprochen, sondern wird auch in digitalen Kommunikationsumgebungen durch qualitativ hochwertige Quellen kontextualisiert, widerlegt und angegriffen. Ein Blick auf Strukturen zeigt also die Kontingenz der Reichweite und Deutungshoheit von Desinformation in der Öffentlichkeit.

Der Blick auf die Akteursebene gibt weiterhin Anlass zur Entspannung. Es ist klar, dass es Desinformation in digitalen Kommunikationsumgebungen gibt. Deutlich weniger klar ist jedoch wer diese Desinformation sieht und welche Wirkung sie entfaltet. Die wenigen Studien, die versuchen die Reichweite von Desinformation empirisch zu ermitteln zeigen, dass sich Desinformationen überwiegend unter Menschen verteilen, die geteilte politische Einstellungen in Übereinstimmung mit der gesehen Desinformation zeigen (A. Guess et al., 2019; A. M. Guess et al., 2020). Weitere psychologische Studien legen nah, dass Desinformation weniger ein informierendes oder überzeugendes kommunikatives Phänomen ist, sondern wohl eher ein Inhaltstyp, der es Menschen erlaubt, ihre politische Identität zur Schau zu stellen und Menschen mit geteilter Meinung zu finden (Mercier, 2020; Nyhan, 2020). Das macht die geteilten Inhalte nicht schöner, aber wir haben es wahrscheinlich nicht mit einem Phänomen zu tun, dass Massen von Menschen dazu bringt, ihre Wahlentscheidung oder politische Zugehörigkeit auf Basis falscher Tatsachen anzupassen. Unter der Zuhilfenahme von Erkenntnissen der Mediennutzungsforschung und der Psychologie erscheint die anfängliche Sorge, ausgelöst von rein auf Sprache und Inhalten basierenden Analysen, also schon deutlich weniger dringlich.

Schon diese kurze – und zwangsweise kursorische Diskussion – zeigt, dass es für die zutreffende Analyse des öffentlichen Einflusses von digitaler Desinformation wichtig ist, unterschiedliche sozialwissenschaftliche Perspektiven gemeinsam zu sehen und nicht, auf Basis isolierter Befunde oder isolierter Perspektiven gesamtgesellschaftliche Aussagen zu treffen. Erst durch den Zusammenzug der Perspektiven werden ihre Einzelbefunde interessant und aussagekräftig.

Warum ist das wichtig?

Die zutreffende Einschätzung über die Präsenz von Desinformation in digitalen Kommunikationsräumen und ihres gesamtgesellschaftlichen Einfluss ist wichtig, da die öffentliche Kommunikation hierzu weitreichendere Wirkungen hat, als wir vielleicht zuerst vermuten.

In einem Umfrageexperiment haben Adrian Rauchfleisch und ich vor kurzem die Wirkung undifferenzierter und differenzierter Warnungen vor digitaler Desinformation getestet (Jungherr & Rauchfleisch, 2022). Wir testen die Wirkung von zwei Treatments. Ein Treatment hatte die Form eines typischen Medienberichts zur Desinformation, in dem undifferenziert auf Basis wissenschaftlicher Befunde vor den Gefahren digitaler Desinformation gewarnt wurde. Das zweite Treatment hatte dieselbe Form und Inhalte, ergänzte sie jedoch noch um wichtige Kontextinformationen auf Basis wissenschaftlicher Befunde, die die Wirkung und Verbreitung von Desinformation relativierten. Unser Experiment zeigte, dass Menschen, die undifferenzierte Warnungen vor den vermuteten Gefahren von digitaler Desinformation angezeigt bekommen, sowohl niedrigere Zufriedenheit mit dem aktuellen Zustand der Demokratie äußerten, als auch höhere Unterstützung für starke Eingriffe in Meinungsäußerung und Zensur in digitalen Kommunikationsumgebungen zeigten als Menschen denen differenzierte Information gegeben wurden und Menschen in einer Kontrollgruppe, denen keine Informationen angezeigt wurden.

Dieser Befund ist wichtig, da er zeigt, dass sensationalistische Wissenschaftskommunikation auf Basis einzelner Befunde – empirischer Fakten – selbst wenn sie gut gemeint ist Gefahr läuft, in der Gesellschaft einerseits zu einem falschen Bild der Effekte von digitaler Kommunikation beizutragen, als auch durch undifferenzierte und letztlich in ihrer Dringlichkeit unbegründeter Warnungen, insgesamt zu einem Anstieg von Angst und damit verbündenden Gefühlen von Kontrollverlust und Hilflosigkeit beitragen kann.

Wie wir über digitale Medien und ihre Wirkung auf die Demokratie sprechen hat Effekte. Und nicht nur solche, die wir erwarten oder wünschen. Hier müssen wir als Feld lernen und nicht nur auf Basis unserer jeweiligen Perspektive und vorliegenden isolierten empirischen Fakten kommunizieren. Statt der Spaltung des Gegenstands im sozialwissenschaftlichen Prisma müssen wir ein möglichst holistisches Bild im Kaleidoskop unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Perspektiven kommunizieren.

Sozialwissenschaftliche Perspektiven nicht als Prisma sondern als Kaleidoskop

Dieser kurze Abriss zeigt die Gefahren, die darin liegen wenn wir uns unseren Forschungsgegenständen ausschließlich durch das sozialwissenschaftliche Prisma nähren. Unterschiedliche Perspektiven brechen unsere Forschungsgegenstände in unterschiedliche Bestandteile. Dies allein ist nicht problematisch und kann sogar zu Klarheit und der mehrdimensionalen Einschätzung unserer Forschungsgegenstände beitragen. Es wird allerdings zu einem Problem sobald wir die durch unsere Perspektive sichtbaren Splitter des Gegenstands zum Ganzen erheben.

Alleinigkeitsansprüche der Perspektiven – ob Struktur, Sprache oder Akteur – sind das Problem. Sie verstellen uns den Blick auf den Gegenstand in seiner Gänze und seiner Kontextabhängigkeit. Entsprechend müssen wir unterschiedliche sozialwissenschaftliche Perspektiven nutzen, um so die unterschiedlichen Aspekte unserer Gegenstände in ihrer Gänze sichtbar zu machen und die Bedeutung unserer Befunde in einem Gesamtbild einzuordnen. Dies bedeutet, sich den unterschiedlichen Perspektiven mehr als Kaleidoskop denn als Prisma zu nähren.

Natürlich bedeutet dies nicht, dass jede Studie alle denkbaren Perspektiven vereinen und testen muss. Es bedeutet allerdings, dass wir in der Einordnung unserer Befunde – oder der öffentlichen Kommunikation über sie – zumindest versuchen müssen, die durch unsere Perspektive sichtbar gemachten empirischen Fakten vor dem Hintergrund anderer relevanter Perspektiven und Befunde einzuordnen.

Gleichzeitig kann dies auch bedeuten, ambitionierter in unseren Theorien und Konzeptionalisierungen zu werden. Niemand zwingt uns, das gefühlt 10.000ste Papier zu Echo-Kammern oder Filterblasen zu schreiben. Neue Theorien und Konzepte können uns erlauben, unterschiedliche Facetten digitalen Wandels aus unterschiedlichen Perspektiven vereint zu denken und messbar zu machen. Einen solchen Versuch haben Jisun An, Oliver Posegga und ich mit unserem Papier zu “Discursive Power in Contemporary Media Systems” gemacht (Jungherr et al., 2019). Zugegeben, unsere empirische Messung lässt noch auf sich warten, aber das Konzept vereint strukturelle Überlegungen und Faktoren mit der sprachlichen Abbildung von politischem Wettbewerb. Andere Gegenstände laden zu anderen Konzeptionalisierungen ein.

Unser Gegenstand ist neu, dem sollten unsere Theorien, Konzepte und Methoden gerecht werden.

Letztlich sollten wir als Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler nicht mit der Produktion isolierter empirischer Fakten zufrieden sein. Empirische Fakten sind wichtig und die Grundlage für vieles was folgt. Aber um ihre Bedeutung einschätzen zu können, müssen sie theoretisch eingebettet und verankert sein. Darüber hinaus braucht es für den Transfer in die Wirklichkeit und realweltliche Einschätzung von Entwicklungen das Kaleidoskop unterschiedlicher Ansätze und Befunde, isoliert bieten sie uns nur ein Zerrbild.

Aktuell stellen sich uns und der Gesellschaft viele Fragen im Umgang mit digitalen Medien. Das öffentliche Interesse an unserer Arbeit ist groß und es bleibt viel für uns zu tun. Der Horizont ist weit und die Zukunft unsicher. Welch bessere Ausgangslage könnten wir uns für unsere Arbeit also wünschen?

Literatur

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